historische persönlichkeit
Erna Brehm
Marktplatz
75365 Calw
Allein der Vorwurf, ein intimes Verhältnis mit einem Polen zu haben, genügt, dass die 17-jährige Erna Brehm im Jahr 1941 von den örtlichen Nazi-Behörden öffentlich vorgeführt und ihr auf dem Marktplatz von Calw der Kopf kahlgeschoren wird. Der nach den Gesetzen der Nazis generell verbotene Umgang mit "feindlichen" Ausländern, in intimen Fällen "Rassenschande" genannt, bringt Erna Brehm ins Frauengefängnis Stuttgart und danach ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, aus dem sie gebrochen und krank 1944 zurückkehrt. Sie erliegt mit 27 Jahren den Folgen der Haft.
Bedeutung in der Frauengeschichte
Der Rassenschande beschuldigt, wurde Erna Brehm im KZ Ravensbrück inhaftiert.
"Der Erna wurden 1941 auf dem Calwer Marktplatz öffentlich die Haare
geschoren", erinnert sich der Bruder Reinhold Brehm. Grund dafür war der
Vorwurf, ein intimes Verhältnis mit dem polnischen Zwangsarbeiter
Marian Gawronski eingegangen zu sein. Deswegen verbrachte Erna Brehm
acht Monate Haft im Frauengefängnis Stuttgart - anschließend kam sie in
das Jugend- und Frauenkonzentrationslager Ravensbrück in so genannte
Schutzhaft. Sie wurde dort als politische Gefangene geführt. Am 19.
August 1951 starb sie im Alter von 27 Jahren an den Folgen der Haft.
Wie in vielen anderen deutschen Städten gab es auch in Calw Zwangsarbeit
von Kriegsgefangenen. "Calwer SA-Größen, Handwerker und andere
Geschäftsleute konnten sich diese Leute als billige Arbeitskräfte
aussuchen", berichtet Reinhold Brehm. Marian Gawronski war einer dieser
Zwangsarbeiter. Er arbeitete als Mechaniker bei der Autowerkstatt
Wurster. Erna Brehm, die als Haushaltsgehilfin im Cafe Lutz tätig war,
unterhielt Kontakt zu Marian Gawronski. Das reichte. Sie wurde
denunziert und daraufhin verurteilt. "Sie haben die gegenüber dem
Angehörigen eines Feindstaates selbstverständliche Zurückhaltung
vermissen lassen und das gesunde Volksempfinden gröblichst verletzt",
hieß es in der Urteilsbegründung. Doch noch bevor sie die Strafe
antreten musste, wurde sie von der und für die Calwer Bevölkerung als
"lehrreiches" und "warnendes" Beispiel zur Schau gestellt. Auf dem
Marktplatz wurde ihr öffentlich der Kopf kahl geschoren. "Reinhold, geh
auf den Marktplatz hoch, da werden deiner Schwester gerade die Haare
geschnitten", sei ihm zugerufen worden, erinnert sich der damals
11-jährige Bruder verbittert. "Der ganze Marktplatz ist voll gestanden.
Aber wenn man heute nachfragt, will niemand dabei gewesen sein."
Im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück musste Erna Brehm unter
katastrophalen Bedingungen täglich körperliche Schwerstarbeit
verrichten. Als Folge davon erkrankte sie an schwerer doppelseitiger
Lungentuberkulose. Am 1. April 1944 wurde sie als lager- und haftunfähig
entlassen. "In der Zeit nach ihrer Gefangenschaft lebte sie
zurückgezogen. Viele Calwer mieden seit dem Vorfall auf dem Marktplatz
unsere ganze Familie", berichtet Reinhold Brehm.
Nach 1945 bemühte sich Erna Brehm um Wiedergutmachungszahlungen. Ein
entsprechender Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die
Gefangene nicht politisch oder rassistisch verfolgt gewesen sei, sondern
als "normale" Verbrecherin gegen geltendes Recht verstoßen habe und
damit durchaus rechtmäßig verurteilt worden sei.
"Sie werden nicht mehr frei - ihr ganzes Leben".