historische persönlichkeit
Magdalena Sibylla Rieger
Ehemaliges Oberamt Marktplatz 21
75365 Calw
Magdalena Sibylla Rieger erhält für ein Mädchen ihrer Zeit eine ungewöhnlich gute Ausbildung durch ihren Vater. 16-jährig wird sie mitdem Calwer Stadtvogt Emmanuel Rieger verheiratet und lebt einige Jahre hier. Mit ihren Schriften und Gedichten steht sie in evangelischer, vor allem pietistischer Tradition. Als einzige Frau Württembergs wird sie von der Göttinger Universität zur lorbeergekrönten Poetin ernannt. Die Preisrichter heben hervor, dass sie männliches Ingenium und weibliche Tugenden besitze.
Sie antwortet darauf selbstbewusst als Frau: "Ihr Männer packet ein, was ist doch eure Kunst. Wär unsre Arbeit nicht, die eur wär umsunst." Auch in der aktuellen Ausgabe des württembergischen evangelischen Kirchengesagsbuchs findet sich ein Bußlied der Dichterin.
Bedeutung für die Frauengeschichte
Die barocke Dichterin Magdalena Sibylla Rieger wurde als einzige Frau Württembergs zur lorbeergekrönten Poetin ernannt.
Magdalena Sibylla Rieger wird 1707 in Maulbronn geboren. Ihr Vater, der
Prälat und Liederdichter Philipp Heinrich Weißensee, unterrichtet seine
Tochter selbst, so dass sie eine für Mädchen der Barock-Zeit
ungewöhnliche Ausbildung genießt. 16-jährig wird sie mit Emmanuel Rieger
verheiratet, Stadtvogt erst in Calw, dann in Stuttgart.
Schreiben ist für Magdalena Sibylla Rieger zunächst ein Heilmittel gegen
ihre "Nervenschmerzen". 1743 erscheint der Versuch einiger geistlicher
und moralischer Gedichte, mit denen sie in einer langen evangelischen,
vor allem pietistischen Tradition steht, der eigenen, subjektiven
Frömmigkeit eine Stimme zu geben. Noch in der letzten Ausgabe des
evangelischen Kirchengesangbuchs der Landeskirche Württemberg findet
sich ein Bußlied von ihr. Darin verbindet sich Klage um das Dasein mit
der Suche nach Geist und Wahrheit, wie sie in ihrem Selbstverständnis
überhaupt religiöse Identität mit der modern anmutenden Frage "Bin ich
oder bin ich nicht?" vereint.
Von der Göttinger Universität wird sie zur lorbeergekrönten Poetin
ernannt - eine Ehre, die keiner anderen Württembergerin zuteil wurde.
Auf das Lob der Preisrichter, sie besitze männliches Ingenium und
weibliche Tugenden, antwortet sie sehr selbstbewusst und explizit als
Frau:
"Es gibt nicht minder auch bei Weibern viel Geschäften, / Die man nicht
eben gleich kann an den Nagel heften, / Von größrer Wichtigkeit, als der
gelehrtste Mann, / Ja, ich behaupt es frei, jemalen leisten kann. / Ich
bin kurz einer Frau und Freundin beigesprungen, / Es ist uns so ein
Werck in einer Nacht gelungen, / Woran der größte Held mit zittern würde
gehn, / Wann gleich ihn die Natur dazu hätt ausersehen […] / Ihr Männer
packet ein, was ist doch eure Kunst. / Wär unsre Arbeit nicht, die eure
wär umsunst."
So äußert sich ein spezifisch weibliches, die männliche Dominanz in
Frage stellendes Selbstbewusstsein. Sie protestiert aber auch gegen den
Ausschluss der Frauen von der öffentlichen, geistigen Welt, dagegen,
dass "nur Männer-Nahme gilt", während die Frauen ungenannt bleiben.
Deutlich weicht bei ihr pietistische Demut bereits einem aufklärerischen
Impetus.
Der Staatsrechtler und pietistische Dichter Johann Jakob Moser nahm die
Riegerin 1772, noch zu ihren Lebzeiten, als einzige Frau in sein
Württembergisches Gelehrten-Lexikon auf.
"Wär unsre Arbeit nicht, die eure wär umsunst."