historische persönlichkeit
Marie Hesse
Marktplatz 6
75365 Calw
Ihr Vater Hermann Gundert beginnt im Jahr 1860 seine Tätigkeit beim Calwer Verlagsverein, der evangelisch-pietistisch geprägte
Missionsliteratur herausgibt. Maries erste Ehe mit einem Missionar führt sie für ein paar Jahre nach Indien zurück. Nach dem Tod ihres Mannes wieder in Calw, wird sie 1871 gegen Widerstände Lehrerin für Englisch an der Realschule in Calw und unterrichtet damit als erste Frau in Württemberg an einer öffentlichen höheren Schule. 1874 bezieht sie mit ihrem zweiten Mann Johannes Hesse die Wohnung am Marktplatz, wo als eines ihrer insgesamt neun Kindern ihr Sohn Hermann Hesse geboren wird. Als Autorin zahlreicher Beiträge in Missionszeitschriften und von Büchern unterstützt sie intensiv die Arbeit des Calwer Verlagsvereins.
Bedeutung für die Frauengeschichten
Die Mutter Hermann Hesses war eine engagierte Missionarin und die erste
Lehrerin an einer öffentlichen höheren Schule Württembergs.
"Von der Mutter habe ich die Leidenschaftlichkeit des Temperaments
geerbt, die heftige, sensationslustige Phantasie, außerdem die
musikalische Begabung", notierte Hermann Hesse nach ihrem Tod.
Geboren ist Marie Gundert am 18. Oktober 1842 in Talatscheri/Südindien
als Tochter der Missionare Hermann Gundert und Julie, geborene Dubois,
aufgewachsen als "Missionstöchterlein" bei Pflegeeltern in Basel und im
Christlichen Mädcheninstitut in Korntal. Als 15-Jährige kam sie wieder
nach Indien, wo sie in der Mädchenschule ihrer Mutter Englisch,
Handarbeit und Geografie unterrichtete und ihrem Vater als
Reisebegleiterin und Sekretärin half. Die Familie zog nach Calw, als
Hermann Gundert 1862 die Leitung des Calwer Verlagsvereins übernahm,
Marie half bei Büroarbeiten und übersetzte Bücher aus dem Englischen.
Mit ihrem Mann, dem englischen Missionar Charles W. Isenberg (1840-70),
siedelte sie 1865 in die Missionsstation Haiderabad am Indus über, doch
wegen seiner Lungenkrankheit kehrte das Ehepaar mit zwei kleinen Söhnen
nach Deutschland zurück, wo Isenberg starb.
Marie zog mit ihren Kindern ins Verlagsgebäude zu den Eltern und
übernahm gegen Widerstände im Sommer 1871 einen einjährigen Lehrauftrag
für Englisch an der Calwer Realschule. Nie zuvor hatte eine Frau an
einer öffentlichen höheren Schule in Württemberg unterrichten dürfen -
aber offenbar hatte die junge Witwe keine Probleme mit der Disziplin
ihrer elf Schüler. Das Angebot der Basler Mission, Medizin zu studieren
und als Ärztin nach Indien zu gehen, lehnte sie wegen ihrer Kinder ab,
stattdessen heiratete sie 1874 Johannes Hesse (1847-1916), zunächst
Gehilfe ihres Vaters, später Missionsschriftsteller und Verlagsleiter.
Unmittelbar nach der Hochzeit zog das Paar in die Wohnung am Marktplatz,
wo die Kinder Adele (1875-1949), Hermann (1877-1962) und Marulla
(1880-1953) geboren wurden.
Marie Hesse hatte neun Kinder, drei starben früh. Neben Erziehung,
Haushalt und Unterstützung ihres Mannes bei seiner Redaktionsarbeit
veröffentlichte sie selber - anonym - Beiträge für
Missionszeitschriften, aber auch einige Bücher: eine Darstellung ihrer
Erlebnisse als Missionsfrau in Indien Deutsche im Osten und ein
Lebensbild ihrer Mutter, außerdem zwei Biografien über die Missionare
David Livingstone, der Freund Afrikas, und Jakob Hannington, ein
Märtyrer für Uganda, die in der auflagenstarken Reihe der "Calwer
Familienbibliothek" erschienen. "Ich sehe dich noch, meine Mutter, mit
dem schönen Haupt zu mir geneigt, schlank, schmiegsam und geduldig, mit
den unvergleichlichen Braunaugen!" Hermann Hesse